Dieses Datum bezeichnet nicht nur den Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR – heute ist auch der Tag, an dem Raif Badawi drei Jahre im Gefängnis verbracht hat.
Deswegen habe ich beschlossen, ihm einen weiteren Text zu widmen. Allerdings sieht die Lage nun aufgrund der neusten Nachrichten aus Saudi Arabien nun deutlich anders aus, als an jenem Tag als ich meine ersten Gedanken zu diesem Text aufgeschrieben habe.
Doch effektiv hat sich abgesehen davon, dass nur eine einzige Möglichkeit, dieses Urteil nun noch aufzuheben, übriggeblieben ist – eine Intervention des Königs – bis zu diesem Zeitpunkt nichts geändert. Raif Badawi ist jetzt nunmehr seit 3 Jahren im Gefängnis, was bedeutet dass er seit diesem Zeitpunkt so gut wie kein Leben mehr hat, jedenfalls keines das diesen Namen verdient hätte. Die Mächtigen und Einflussreichen seines Landes haben diesem Mann bereits drei Jahre seines Lebens gestohlen – drei Jahre, die ihm nie mehr zurückgegeben werden können. Und gemäss dem nun endgültig rechtskräftig gewordenen Urteil sollen weitere sieben folgen. Das heisst, wenn er diese überhaupt noch erleben wird. Denn falls die Todesstrafe auf Raten, die ihren wahren Charakter verbirgt, in dem sie nicht diesen Namen trägt, der ihr eigentlich zusteht, tatsächlich so wie vorgesehen vollzogen werden sollte, ist dies nicht gewährleistet.
Es stimmt – bis jetzt wurde Raif Badawi nicht mehr ausgepeitscht – aus welchen Gründen auch immer. Bis zum 7. Juni war es für uns schon zur Alltäglichkeit geworden, am Freitag auf eine beruhigende Nachricht zu warten, die Angst war für viele von uns längst nicht mehr so gross, wie in den ersten Wochen im Januar und Februar. Die Bestätigung des Urteils durch das oberste Gericht in Saudi Arabien haben uns aber zurück auf den Boden der Realität gebracht und uns gezeigt, dass das Risiko noch besteht, genauso wie es dies in der zweiten Januarwoche dieses Jahres getan hat und das die Reaktionen von offizieller Seite bis jetzt noch nicht ausgereicht haben, um tatsächlich eine Freilassung zu bewirken.
Dies ist und bleibt die einzige akzeptable Lösung. Es wurde Raif Badawi seit dem 9. Januar zwar kein neuer körperlicher Schaden zugefügt, aber man muss sich auch überlegen, was diese Ungewissheit, wie es jetzt weitergehen soll, ob und wann diese restlichen 950 Peitschenhiebe nun ausgeführt werden, die jede Woche ums neue am Freitag ihren Höhepunkt erreicht, nun genau für diesen jungen Araber bedeutet und wie sehr das an den Nerven zerren muss. Dies ist nichts anderes als psychische Folter. Schliesslich befindet er sich seit Januar in einem luftleeren Raum ohne Anhaltspunkte wie die Zukunft aussehen wird, keine Daten als greifbare Festpunkte in unmittelbarer Zukunft und muss jede Woche auf das Schlimmste gefasst sein. Diese Angst vergrössert sich natürlich durch besagtes Gerichtsurteil noch erst recht, die Situation erscheint aussichtsloser denn je.
Trotzdem gibt es auch weiterhin gewisse Hoffnungsschimmer. Beispielsweise kann die saudische Regierung diesen Fall schon seit längerem nicht mehr ignorieren, und sieht sich gezwungen, immer wieder zu wiederholen, dass die Menschenrechte in ihrem Land gewährleistet seien. Die Tatsache, dass das Auspeitschen trotz der Bestätigung des Urteils und entsprechenden Berichten durch inländische Medien letzten Freitag nicht vollzogen wurde, spricht ebenfalls dafür, dass die öffentliche Meinung doch nicht ungehört bleibt.
Dies alles ist ein guter Anfang. Es ist jetzt aber umso bedeutender, beharrlich zu bleiben und sich nun erst recht für die Freilassung Raif Badawis einzusetzen – auch wenn dies bedeutet, dass unsere Regierungen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen für einmal in den Hintergrund stellen müssen.
Raif Badawi ist ein friedlicher Mensch, der einzig und allein dafür bestraft wird, den Mut zu haben, seine eigene Meinung zu haben und diese mit der Welt um ihn herum zu teilen, auch wenn er dabei Themen anspricht, die für gewisse nicht irrelevante Bevölkerungsschichten seines Landes tabu sind. Es ist also absolut wünschenswert, dass Raif Badawi bald mit seiner Familie vereint sein wird und ein normales Leben führen kann. Denn dort ist sein Platz wo er hingehört – bei seiner Frau und seinen Kindern in allererster Linie, aber auch weil das bedeutet dass er dann seine Gedanken aussprechen könnte ohne Angst vor weiterer Repression und sie mit vielen Menschen, die genauso besorgt sind um das Schicksal der Welt, teilen könnte.
Hier geht es zur englischen Version des Textes:
Pingback: 17th of June | saminana
Hallo,
konnte keine Kontaktadresse finden. Sofern Sie einen Roman über die CSSR 1968 schreiben, der für Sie der Anfang der „Chronik eines NVA-Unfalls von Interesse sein.
Link: http://www.medienfabrik-b.de/blog/blog01/index01.html
Vieloe Grüße
Martin Sachse
text030
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